Und noch ein Gipfel, Kommentar zur Europäischen Union von Detlef Fechtner

Im Schatten der Personalentscheidungen und der Ukraine-Krise ist ein Ergebnis des jüngsten EU-Sondergipfels fast untergegangen: Am 7. Oktober wird ein EU-Sondergipfel veranstaltet -und bald darauf ein Extra-Euro-Gipfel. Beide Treffen werden – wie auch der folgende routinemäßige EU-Gipfel und der informelle Finanzministerrat – ein und demselben Thema gewidmet: Es soll ausgelotet werden, mit welchen Instrumenten, Strategien und Maßnahmen das Wachstum angeschoben werden kann. Die Formel von „Jobs and Growth“ soll nicht mehr bloß für Sonntagsreden taugen.

Mancher wird ob der eifrigen Gipfelei den Kopf schütteln – was soll das bringen? Doch die EU tut klug daran – zumal endlich die Aussicht besteht, zu Resultaten zu kommen. Lange war Europas Wachstumsdebatte von Argwohn überlagert. Der Norden hegte den Verdacht, dass sich hinter allen Vorschlägen des Südens nur hinterhältige Attacken gegen sparsame Haushaltspolitik verbergen. Der Süden wiederum unterstellte dem Norden, unter der Überschrift von Strukturreformen einzig radikale Kürzungen durchzuboxen und Volkswirtschaften in die Dauerrezession zu treiben.

Diese Diskussion hat sich entpolarisiert. Länder wie Spanien haben bewiesen, dass sie die Notwendigkeit struktureller Reformen von Arbeits- und Warenmärkten einsehen. Andererseits reagiert die Bundeskanzlerin mittlerweile auf die Rufe nach Nutzung haushaltspolitischer Spielräume – indem Angela Merkel, wie gerade gestern, ankündigt, mögliche Überschüsse im Bundeshaushalt in Investitionsvorhaben stecken zu wollen.

Es ist höchste Zeit, dass sich die EU ernsthaft um Verständigung darüber bemüht, wie eine wachstumsfreundliche Politik aussehen und wie jede einzelne Regierung dazu beitragen kann. Vielversprechende Ideen gibt es genug: die Übernahme dualer Ausbildung etwa oder die Absicherung von Bankkrediten durch Garantien, aber auch gesetzgeberische Maßnahmen, die langfristige Kapitalbereitstellung oder grenzüberschreitende Investments durch Rechnungslegungsstandards erleichtern.

Deutschland ist gut beraten, sich aktiv in die Debatte einzuschalten, die gerade in Brüssel vorbereitet wird – und nicht bloß herumzumäkeln. Denn es geht um sensible Themen wie Marktzugänge, die Arbeit von Förderbanken oder Instrumente künftiger EU-Strukturpolitik. Und es geht darum zu zeigen, dass der Süden der EU nicht zur dauerhaften Wachstumsschwäche verdammt ist. Denn wäre das so, hätte auch Deutschland ein gewaltiges Problem.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert