Nord Stream 2: Wirtschaft fürchtet Veto aus Frankreich

Nach Signalen, dass die französische Regierung bei einer Abstimmung auf EU-Ebene für eine Verschärfung europäischer Gasrichtlinien votieren könnte, wächst in der deutschen Wirtschaft die Sorge um das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2. „Wir halten es für sehr bedenklich, dass ein ökonomisch sinnvolles Projekt, an dem Unternehmen aus mehreren europäischen Ländern, darunter auch aus Frankreich, finanziell beteiligt sind, aufgrund sachfremder politischer Erwägungen und anhaltendem Druck aus den USA infrage gestellt wird“, sagte Wolfgang Büchele, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ (Freitagsausgaben). Die „von den USA behauptete“ und nun „offenbar auch in Paris befürchtete Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen“ sei ein Mythos. Zwar stammten derzeit rund 30 Prozent des Erdgases in der EU aus russischen Quellen, allerdings habe Gas insgesamt nur einen Anteil von unter zehn Prozent am europäischen Energiemix, erklärte der Wirtschaftsvertreter.

Zudem sei das europäische Gasangebot durch den Ausbau von Flüssiggas-Terminals bereits erheblich diversifiziert. „Die USA und EU-Länder wie Polen verfolgen dabei handfeste eigene wirtschaftliche Interessen“, so Büchele weiter. Auch der deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bekräftigte die wirtschaftliche Bedeutung der Gaseinfuhren. „Europa benötigt mehr Gasimporte. Die europäische Förderung ist stark rückläufig und gleichzeitig brauchen Industrie, Haushalte und Kraftwerke in den nächsten Jahren eher mehr als weniger Gas“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben den Zeitungen. Privatwirtschaftliche Projekte wie Nord Stream 2 oder auch weitere LNG-Terminals könnten „hier einen Beitrag leisten, langfristig eine günstige und sichere Versorgung mit Erdgas zu gewährleisten“, so Wansleben weiter. Die Grünen würden es dagegen begrüßen, wenn sich Frankreich im Streit über die Gaspipeline Nord Stream 2 gegen Deutschland stellt. „Sollte sich Frankreich am Freitag tatsächlich für eine Änderung der Gas-Richtlinie aussprechen, wäre das ein mutiger und begrüßenswerter Schritt“, sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“. Denn so gebe es unter den Mitgliedstaaten eine Mehrheit für eine stärkere Regulierung der Pipeline. „Dies würde dazu führen, dass Pipeline und Gaslieferung nicht mehr in einer Hand liegen dürfen, was Nord Stream 2 für Gazprom weniger lukrativ machen würde“, so die Grünen-Chefin weiter. Das wäre sehr zu begrüßen, denn das Projekt sei politisch und ökologisch ein Desaster, sagte Baerbock. Die FDP warnt hingegen vor einem Souveränitätsverlust Deutschlands. „Würde Brüssel die Nutzung von Nord Stream 2 europarechtlich blockieren, wäre dies für Deutschland ein energiepolitisches Debakel“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Alexander Graf Lambsdorff, den Zeitungen. „Angesichts des bevorstehenden Atom- und Kohleausstiegs würden wir die Kontrolle über unsere Energiepolitik vollends verlieren“, so Lambsdorff weiter. Er verwies darauf, dass Deutschland als Industrienation seinen Energiebedarf auf absehbare Zeit nicht allein aus Erneuerbaren decken könne. Der FDP-Fraktionsvize warf der Bundesregierung Versagen vor: „Das ist ein schwerer Schlag für die deutsche Diplomatie. Es kann doch nicht sein, dass uns unmittelbar vor einer wichtigen Abstimmung Frankreich, unser wichtigster Partner, die Unterstützung versagt und die Bundesregierung davon nichts mitkriegt“, sagte Lambsdorff den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“. Er frage sich, „was Außenminister Maas und sein Europa-Staatsminister Roth eigentlich machen.“ Das französische Außenministerium bestätigte einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“, wonach sich Frankreich den Kritikern des Gaspipeline-Projekts anschließen wolle.

Foto: Bau von Nord Stream 2, über dts Nachrichtenagentur

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