Studie: Um die finanzielle Grundbildung steht es schlecht in Europa

Das Finanzwissen und die Fähigkeit, kluge finanzielle Entscheidungen zu treffen, haben sich bei den Europäern in den letzten zehn Jahren nicht wesentlich verbessert – trotz Finanzkrise und rekordtiefen Zinsen. Das zeigt eine umfangreiche, von der Allianz in zehn Ländern Europas durchgeführte Studie. Die Schweiz rangiert zwar auf Platz 3, offenbart aber auch grosse Lücken vor allem im Wissen um Risiken. Am anderen Ende der Skala finden sich vor allem die südeuropäischen Länder.

Fast täglich treffen wir finanzielle Entscheidungen – sei es nun beim Einkauf im Supermarkt, bei der Wahl der richtigen Hypothek oder beim Sparverhalten. Viele Finanzgeschäfte erledigen wir mittlerweile sogar mit wenigen Klicks rund um die Uhr auf dem Tablet oder dem Smartphone. Die Auswahl an Finanzprodukten ist mittlerweile riesengross, gleichzeitig aber auch das Risiko. Auf der Basis einer guten finanziellen Grundbildung lassen sich viele Entscheidungen leichter und erfolgreicher treffen. Wieviel Geld erhalte ich nach 5 Jahren, wenn ich 100 Franken mit einer jährlichen Verzinsung von 2 Prozent anlege? Und wenn die Verzinsung 1 Prozent beträgt und die Inflationsrate 2 Prozent? Ist der Kauf von Aktien eines einzelnen Unternehmens eine bessere Anlage als die in einen breiter gestreuten Aktienfonds? Fragen zum Finanzwissen wie diese standen im Mittelpunkt der internationalen Allianz Studie „When will the Penny Drop: Money, financial literacy and risk in the digital age“ (Wann fällt der Groschen: Geld, finanzielle Grundbildung und die Risiken im digitalen Zeitalter), für die in zehn europäischen Ländern jeweils rund 1’000 Personen befragt wurden. In Österreich, Deutschland und der Schweiz ist das Wissen um Finanzen und Risiken noch am grössten. Frankreich, Portugal und Italien schneiden in Sachen finanzielle Grundbildung hingegen am schlechtesten ab, fand die Allianz Studie heraus.

Wenig Wissen über Finanzen und Risiken

Die Professorin Annamaria Lusardi, wissenschaftliche Leiterin des Global Financial Literacy Excellence Center an der George Washington University, meint dazu: „Es gibt nur wenige aktuelle Studien, die einen Vergleich der europäischen Länder im Hinblick auf finanzielle Grundbildung zulassen. Daher freut es mich, an einer Studie mitwirken zu können, die nicht nur eine umfassende Messung der finanziellen Grundbildung, einschliesslich des Wissens über Risiken und risikobezogene Konzepte beinhaltet. Sie stellt zudem eine Verbindung zwischen finanzieller Allgemeinbildung und den entsprechenden Entscheidungen her.“

Die Umfrage zeigt zudem, dass die Europäer trotz der stärkeren Verankerung von Finanzthemen in den Medien und im Alltag nach der Finanzkrise bedenklich wenig über Finanzen und Risiken wissen. Der Anteil richtiger Antworten zu finanziellen Grundfragen entsprach in etwa den Ergebnissen ähnlicher, zehn Jahre älterer Studien. In allen Ländern wurde deutlich, dass risikobezogene Konzepte am schwierigsten greifbar sind. Durchschnittlich beantwortete nur die Hälfte der Teilnehmer diese Fragen richtig. Zwischen den Ländern gab es jedoch viele Unterschiede. Am wenigsten verstanden die Befragten, was Risikostreuung bedeutet, obwohl dieses Konzept den meisten aus der Redewendung „Setze nicht alles auf eine Karte“ bekannt sein dürfte.

Mangelndes Finanzwissen auch im deutschsprachigen Europa

„Rekordtiefe Zinsen, volatile Finanzmärkte, demographischer Wandel – dieses Umfeld macht das Sparen nicht einfach. Umso wichtiger ist es, sich intensiv mit Finanzfragen auseinanderzusetzen, um keine falschen Entscheidungen zu treffen. Dabei ist jeder Einzelne gefragt, denn das Sicherheitsbedürfnis ist individuell. Wie lange ist mein Anlagehorizont, was für ein Risikotyp bin ich, stehen Einnahmen und Ausgaben in einem vernünftigen Verhältnis? Finanzielles Grundwissen ist zentral, um diese Zusammenhänge zu verstehen und für sich persönlich die richtigen Antworten zu finden“, betont Gregor Huber, Leiter Investment Management der Allianz Suisse. Er führt ein weiteres Beispiel aus der Studie an: Auf die Frage, wie gespartes Geld für zwei Jahre angelegt werden soll, um die dann geplante Hochzeit zu finanzieren, hat jeder Vierte geantwortet, dass ein Rohstoff-Fonds mit einer prognostizierten Rendite von 7% das geeignetste Finanzinstrument wäre. „Hier lassen sich die Befragten von den Ertragsaussichten blenden, ohne die Risiken adäquat einschätzen zu können“, merkt Huber an. „Idealerweise beginnt die Finanzbildung bereits in der Schule, um im späteren Leben bei wichtigen Finanzentscheiden gut vorbereitet zu sein.“

Die Allianz hat die Umfrage im November 2016 unter je rund 1.000 Teilnehmern aus Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Portugal, Spanien, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich durchgeführt.

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