NRW – ein Investitionsschub würde der Wirtschaft helfen

Der nordrhein-westfälische Konjunkturhimmel hat sich im ersten Halbjahr 2015 verdunkelt. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichte gerade noch 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Damit lag das größte deutsche Bundesland deutlich unter dem bundesweiten Wachstumsdurchschnitt, der 1,4 Prozent erreichte. Die Vergleichswerte der Bundesländer finden Sie auf der Homepage des statistischen Landesamts (IT.NRW).
Landesgeschäftsführer Herbert Schulte kritisierte die Wirtschaftspolitik der Landesregierung und forderte ordnungspolitische Korrekturen. Das ungünstige Gründerklima verhindere in vielen Regionen dynamischeres Wachstum, so Schulte. Wirtschaftskundeunterricht, Absenkung der Abgabenlasten und Entbürokratisierung der Gründungsverfahren seien Gebote der Stunde. NRW dürfe nicht länger Konjunkturbremse des gesamtdeutschen Aufschwungs sein, so Schulte, der die Landesregierung auffordert, sich auf Bundesebene für steuerliche Förderung von Wagniskapital stark zu machen. Nur so könne privates Kapital mobilisiert werden, um den Wohlstand von Morgen zu erzeugen.

Zunächst fehlt es in Düsseldorf an einer ehrlichen Lageanalyse. Nach Jahrzehnten der irrigen Annahme, NRW könne nur wachsen, wenn es auf die „Großen“ wie die RAG, Opel, den Metrorapid oder eine landeseigene Großbank zur Finanzierung politischer Leuchtturmprojekte setze, blickt einem mancherorts ökonomische Tristesse entgegen. Der Strukturwandel weht durch leere Gewerbehallen. Aber es sind längst nicht mehr nur die Städte und Gemeinden des Ruhrgebiets, deren Haushalte auf Kante genäht sind und deren Sozialetats gefährlich aufgebläht wurden.

Auch längs des ehemaligen „Textilgürtels“ am Niederrhein will der Sprung ins 21. Jahrhundert mit jungen dynamischen Startups und wachsender Beschäftigung im IT-Bereich nicht so recht gelingen. Die Landesregierung hat mit ihrer verheerenden und zähen Debatte um den Landesentwicklungsplan auch alles viel dafür getan, Investoren von einem Engagement in NRW abzuschrecken, Investitionen in den Industriestandort mit Hilfe des LEP und des Klimaschutzgesetzes zumindest zu begrenzen und so einer Entwicklung Vorschub zu leisten, die bei weiter ansteigenden Energiekosten in einer beschleunigten Deindustrialisierung münden kann.

Das würde NRW ins Mark treffen. Die Industrie ist mit einer Wertschöpfung von über 22 Prozent das pulsierende Herz des Landes. Längst ist sie, vor allem im industrienahen Dienstleistungsbereich, mittelständisch geprägt, sichert Ausbildung und Beschäftigung, wo man sie lässt. Doch welchen Beitrag leistet die Landespolitik? Das Interesse am Breitbandausbau und Industrie 4.0 hält sich ebenso sehr in Grenzen wie der Kampf um Infrastrukturmittel in Berlin für den ÖPNV und die Fernstraßen.

Knarzt es möglicherweise zu laut im Gebälk von Rot-Grün, wenn die Karten „Mobilität“ und Industrie ausgespielt werden sollen? Die jahrelangen Debatten um Projekte wie „NewPark, der Rhein-Ruhr-Express oder der Eiserne Rhein“ zeugen von einer fundamentalen Distanz von Teilen der Landesregierung zur Wirtschaft. Doch damit schadet sie der Wohlstandsentwicklung, wie die Wachstumszahlen zeigen. Die erfolgreichen Standorte im Süden der Republik sind längst davongeeilt, NRW kämpft auch beim Pro-Kopf-Einkommen und bei der stetig steigenden Landesverschuldung gegen den Abstieg.

Dabei hat NRW ein Ass im Ärmel, um das zahlreiche Standorte das Land beneiden: Seine hervorragende Wissensinfrastruktur. An den Unis und FHs wachsen Grundlagenwissen, patentierbare Ideen und das Knowhow zusammen, das am Ende des Wertschöpfungsprozesses Marktinnovationen, junge Unternehmen und Wohlstand bringen könnte. Nur muss dies auch in NRW geschehen. Dazu braucht es wachstums- und gründungsfreundliche Rahmenbedingungen, eine Entschlackung der Bürokratielasten und vor allem muss Druck vom Abgabenkessel gelassen werden! Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist daher gut beraten, die Neuverhandlung der Bund-Länder-Finanzen zu einem Erfolg des größten Bundeslandes umzumünzen. NRW und seine Kommunen standen ein Vierteljahrhundert zum Aderlass für andere Standorte bereit. Nun ist es Zeit, in die Zukunft der 17 Millionen Menschen an Rhein, Ruhr und Sieg zu investieren.

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