Am Wendepunkt, Kommentar zur EZB von Mark Schrörs

„Das haben wir nicht diskutiert“ – das war am Donnerstag der von EZB-Präsident Mario Draghi meistgenutzte Satz. Ob die Verlängerung der Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE), ein langsames Auslaufen (Tapering) am Ende von QE oder Maßnahmen, um drohende Engpässe bei QE zu vermeiden – laut Draghi waren all die Fragen, die derzeit jeden brennend interessieren, im EZB-Rat kein oder kein großes Thema. Stattdessen hieß es immer nur: Wir sehen uns im Dezember wieder. Da drängt sich sehr wohl der Eindruck auf: Außer Spesen nichts gewesen.

Bemerkenswert war aber Draghis Absage an ein abruptes Ende von QE. Zwar ist schon lange absehbar, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Käufe nicht schlagartig von einem Monat auf den anderen einstellt – dafür braucht es auch keine aufgeregt-gehypten Medienberichte. Trotzdem ist es nun quasi amtlich, dass QE über März 2017 hinausgeht. Hinter die Aussage kann Draghi jedenfalls nicht zurück. Die große Frage aber bleibt, ob die EZB ab April 2017 weiter für 80 Mrd. Euro monatlich einkauft oder die Käufe doch bald allmählich zurückfährt. Für Spannung ist gesorgt.

Die Marktteilnehmer würden sich sicher mehr Klarheit erhoffen – wozu die EZB leider selbst beigetragen hat, als sie mit ihrer Forward Guidance vorgegaukelt hat, sie könne stets die Zukunft vorausahnen. Das war schon immer irrsinnig – aber erst recht an einem geldpolitischen Wendepunkt, wie er jetzt zumindest allmählich näher rückt. De facto kauft sich die EZB nun schlicht Zeit. So besteht die Hoffnung, dass die Entscheidung im Dezember unter noch besseren Vorzeichen stehen wird – mit höherer Inflation und solider Wirtschaft.

Bei einer Verlängerung von QE sollte die EZB in jedem Fall den Exit gleich mitdenken – aber mindestens in Aussicht stellen. Der Wachstums- und Inflationsausblick rechtfertigt das allemal, und die Risiken der ultralockeren Geldpolitik nehmen zu. Zu diesen gehört auch, dass sich die Politik nur immer weiter hinter der EZB versteckt, je mehr jene liefert. Im Übrigen: Selbst wenn die EZB 2017 mit dem Tapering beginnt, ist das meilenweit entfernt davon, den Schalter von einer expansiven auf eine restriktive Geldpolitik umzulegen. Es gibt keinen Grund zur Panik.

Draghi selbst hat gestern gesagt, QE sowie Null- und Negativzinsen könnten nicht für immer bleiben. Wie Recht er hat! Dann sollte die EZB die Marktteilnehmer aber auch nicht mit immer neuen Geldschwemmen einlullen. Es wäre also nicht nur unangemessen, sondern sogar kontraproduktiv, die Märkte Anfang Dezember mit einer übertriebenen vorweihnachtlichen Bescherung zu überraschen.

Quelle: Börsen-Zeitung

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