Schweizer Fahne

Personenfreizügigkeit für die Schweiz mehrheitlich positiv

Seit nunmehr fünfzehn Jahren ist das Freizügigkeitsabkommen mit der EU in Kraft, zum dreizehnten Mal hat das SECO die Auswirkungen auf den Schweizer Arbeitsmarkt untersucht.

Die Zuwanderung hat mit dem freien Personenverkehr deutlich zugenommen. Vergangenes Jahr wanderten unter dem Strich 56’300 Personen ein. Seit Einführung der Personenfreizügigkeit waren es im Durchschnitt 65’500 Personen jährlich, knapp zwei Drittel aus der EU.

Im Vergleich zu den EU-Ländern ist der Anteil Eingewanderter an der Gesamtbevölkerung hoch. Einzig Luxemburg verzeichnete in den letzten Jahren einen noch höheren Anteil, wie es in dem am Dienstag veröffentlichten Bericht heisst.

Arbeitskräftemangel verhindert

Das SECO erklärt die hohe Zuwanderung mit der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung in der Schweiz. Die Wirtschaft hat einen grossen Bedarf an Arbeitskräften, die seit der Einführung der Personenfreizügigkeit im EU-Raum rekrutiert werden können.

Besonders gross ist die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften. Ohne Personenfreizügigkeit wäre es laut dem Bericht zu einem Fachkräftemangel gekommen. In den entsprechenden Branchen sind 16 Prozent der Beschäftigten EU-Zuwanderer, über alle Wirtschaftszweige beträgt der Anteil 12 Prozent.

Auch niedrigqualifiziertes Personal sei vermehrt im EU-Raum rekrutiert worden, schreibt das SECO. Die einheimische Bevölkerung habe diese Bereiche durch höhere Qualifizierung tendenziell verlassen. Absolut gesehen habe die Zuwanderung von hochqualifizierten Arbeitskräften aber klar die Hauptrolle gespielt.

Zunehmend aus Süd- und Osteuropa

Aus welchen Ländern Personen einwandern, hängt von der wirtschaftlichen Situation in den Herkunftsländern ab. Während in den Jahren vor der Krise viele aus Deutschland einwanderten, gewann in den Jahren danach die Zuwanderung aus Süd- und Osteuropa an Bedeutung.

Befürchtungen, dass sich die Zuwanderung damit von der Nachfrage nach Arbeitskräften abkoppeln könnte, haben sich gemäss dem Bericht nicht bestätigt. Die weitere Entwicklung der Zuwanderung aus Osteuropa sei indes mit erhöhter Aufmerksamkeit zu verfolgen, schreibt das SECO. Wie gut die arbeitsmarktliche Integration dieser Personen gelinge, lasse sich noch nicht beurteilen.

Mit der Ventilklausel wird die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien vorübergehend wieder gesteuert. Zudem sieht das SECO ein begrenztes Potenzial für künftige Wanderungen aus diesen Ländern, weil die Erwerbsbevölkerung wegen der starken Abwanderung bereits beachtlich geschrumpft ist.

Bisher keine Verdrängung

Die hohe Zuwanderung führt zwar seit Jahren zu politischen Kontroversen, aber nicht zu mehr Arbeitslosigkeit. Die Erwerbsbeteiligung hat in den letzten 15 Jahren zugenommen – sowohl bei den Schweizerinnen und Schweizern als auch bei den Zuwanderern, wobei Zuwanderer ein erhöhtes Erwerbslosigkeitsrisiko haben.

Dennoch dürfe nicht ausgeschlossen werden, dass die Konkurrenz in einzelnen Märkten als Folge der Zuwanderung zugenommen habe und dass einzelne Bevölkerungsgruppen schlechtere Chancen hätten, heisst es im Bericht.

Dasselbe gilt für die Löhne. Die Reallöhne seien mit durchschnittlich 0,8 Prozent pro Jahr robust gewachsen, schreibt das SECO. Am ehesten deute ein leicht gedämpftes Lohnwachstum bei den Hochqualifizierten auf einen möglichen Zusammenhang mit der Zuwanderung hin. Bei den tiefen Löhnen hätten sich die flankierenden Massnahmen als wirksames Instrument zum Schutz der Löhne erwiesen.

Personenfreizügigkeit muss allen nützen

Auch wenn das gesamtwirtschaftliche Fazit der Personenfreizügigkeit positiv ausfällt, profitieren längst nicht alle gleichermassen von ihrer Rendite. Je nach Qualifikationsniveau (höher und niedrig Qualifizierte mit verstärktem Konkurrenzdruck), Alter (ältere Arbeitnehmende und Berufseinsteiger mit Problemen bei der Rückkehr in den Arbeitsmarkt) und Wohnort (Tessin und andere Grenzregionen mit kritischer Situation auf dem Arbeitsmarkt) sind diese negativen Begleiterscheinungen stärker spürbar. Die Politik muss dafür sorgen, dass die Personenfreizügigkeit allen nützt. Dazu muss die Stellenmeldepflicht wirksam umgesetzt werden, um die Chancen von arbeitslosen Personen spürbar zu verbessern. Für Travail.Suisse ist klar: Nur mit funktionierendem Schutz der Löhne und Arbeitsbedingungen, einer besseren Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt, einer erhöhten Arbeitsmarktpartizipation der Frauen und einem gesicherten Verbleib von älteren Arbeitnehmenden im Arbeitsmarkt, wird es gelingen, die Bevölkerung nachhaltig von den Vorteilen der Personenfreizügigkeit zu überzeugen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert