Zustand Europas: Einschätzung der Union Bancaire Privée

Genf – Seit vielen Quartalen sehen alle Prognostiker – Wirtschaftswissenschaftler, Analysten und auch die Medien – verschiedene Katastrophen auf Europa zukommen. Gewiss sind die fundamentalen Probleme in der Region noch lange nicht überwunden, doch haben die Finanzmärkte diese bereits eingepreist, weshalb die Risikoprämien einiger Anlageklassen kräftig gesunken sind.

„Im gegenwärtigen Umfeld bevorzugen wir Aktien, vor allem von europäischen und japanischen Unternehmen, da sie bedeutendes Potenzial bieten“

Europa: Etappen auf dem Weg zum Wiederaufbau

Zwischen der immer noch schlechten Wirtschaftslage in Europa und dem Aufwärtstrend der Börsen sind ausgeprägte Diskrepanzen auszumachen. Die Zahlen scheinen den Optimismus der Märkte zu bestätigen. Überraschend bessere monatliche Wirtschaftsdaten (wie die rückläufige Arbeitslosenrate in Spanien) und das bessere Geschäftsvertrauen bilden die ersten Anzeichen einer Trendwende. Darüber hinaus erfuhr der Policy Mix (gleichzeitige Durchführung von haushalts- und geldpolitischen Massnahmen) in Europa gewisse Änderungen, die es ermöglichen sollten, die Rezessionsspirale zu stoppen.

„Es wäre an der Zeit, dass wir frühere Thesen zu Europa korrigieren und eine positivere Einstellung einnehmen. Obwohl die Kredite in der Eurozone immer noch nicht in Schwung kommen, zeigen die seit 2008 eingeführten Reformen und die Entschlussfreudigkeit gewisser Regierungen, vor allem in den Peripherieländern, neue Wege aus der Rezession und für den Wiederaufbau Europas,“ erläuterte Patrice Gautry, Chefökonom der UBP. Laut seiner Einschätzung führt dieser Weg über fünf Etappen:

  • Geht die Lockerung der staatlichen Sparpolitik mit strukturellen Reformen, stark rückläufigen Langfristzinsen und der Aussicht auf eine Harmonisierung der Haushaltspolitiken einher, dürfte sich Wachstum einstellen.
  • Die Diskussion um heisse Steuerthemen wird die europäischen Staaten zu mutigeren Reformen zwingen, was auf lange Sicht positive Auswirkungen für die Region haben wird.
  • Während die Vereinigten Staaten einen „New Deal“ in der Energiebranche herbeigeführt und ihre Konkurrenzfähigkeit gesteigert haben, führt Europas Zukunft zwangsläufig über eine Reindustrialisierung. Einige Länder konnten bereits dank der auf Produktivitätssteigerungen und die Reduktion der Arbeitskosten ausgerichteten Reformen Marktanteile zurückgewinnen.
  • Eine in mehreren Ländern anziehende Produktion und eine Politik, die Europa als gemeinschaftliche Wirtschaftszone angeht, dürften „ein verlorenes Jahrzehnt“ wie in Japan verhindern helfen und das Schreckgespenst der Deflation abwenden.
  • Und zu guter Letzt muss die EZB zu härteren Mitteln greifen. Dazu bedarf es eines neuen Plans zur Stimulierung der Kreditvergaben, der die Nachfrage ankurbeln, die Refinanzierungskosten senken und damit die Finanzlast aller Wirtschaftsakteure lindern wird.

Mittelfristige Anlageperlen

„Das Zusammenspiel dieser Massnahmen, das Europa aus der Rezession führen wird, ist zweifellos sehr positiv, wird aber von den Analysten und Märkten noch unterschätzt“, erklärte Alan Mudie, Chief Investment Officer der UBP. „Im gegenwärtigen Umfeld bevorzugen wir Aktien, vor allem von europäischen und japanischen Unternehmen, da sie bedeutendes Potenzial bieten“, führte er weiter aus. Für die kommenden Monate sieht die UBP sieben Investitionsthemen:

  • Die Aktienmärkte dürften weiterhin vom heutigen günstigen Umfeld profitieren, denn Kapitalabflüsse aus festverzinslichen Anlagen dürften ihren Aufstieg nähren.
  • Vor allem europäische Aktien – die gegenüber den Höchstständen von vor der Krise viel stärker im Rückstand liegen und damit grösseres Aufholpotenzial beinhalten – sind im Vergleich zu amerikanischen Aktien unterbewertet. In der Eurozone sind Unternehmen zu bevorzugen, die dank ihrer Positionierung durch die laufenden Restrukturierungen gestärkt würden.
  • Auch europäische Wandelanleihen bieten interessantere Investmentgelegenheiten als ihre amerikanischen Pendants.
  • In Anbetracht der makroökonomischen Zahlen ist der Euro im gegenwärtigen Umfeld überteuert und seine Abwertung wäre ein Segen für die Eurozone. Deshalb bevorzugen wir den US-Dollar.
  • Für Obligationenportfolios empfehlen wir, in die kürzesten Laufzeiten zu investieren, und sich auf Unternehmenspapiere zu konzentrieren. In Anbetracht der in den Peripherieländern Europas eingeleiteten Reformen wäre es auch an der Zeit, die Möglichkeiten abzuwägen, die ihre Staatsanleihen, z. B. aus Italien, zu bieten haben.
  • Für klassische Fluchtwerte ist die gegenwärtige Situation weniger günstig. Auf mittlere Sicht bleibt das Gold aber attraktiv und gewährt ausgezeichneten Schutz gegen geldpolitische Ausschweifungen von Seiten der Zentralbanken.
  • Bei den Alternativen Anlagen sprechen die Marktkonfiguration und der Zustand der Weltwirtschaft eher für Long/Short- und Global-Macro-Strategien. Grund dafür sind die leicht höhere Volatilität und die verminderte Korrelation zwischen den Anlageklassen, die eine Rückkehr zu einer normalen Marktlage und eine deutliche Aufhellung der Anlegerstimmung ankünden.

Über Union Bancaire Privée (UBP)

UBP ist eine der grössten Privatbanken der Schweiz und mit einer Eigenkapitalausstattung von 25,7% (Tier 1) per Ende 2012 eine der bestkapitalisierten. Die Bank ist auf die Vermögensverwaltung für private und institutionelle Kunden fokussiert. Sie hat ihren Hauptsitz in Genf und beschäftigt rund 1’300 Mitarbeitende in weltweit über 20 Geschäftsstellen. Per 31. Dezember 2012 beliefen sich die betreuten Kundenvermögen auf CHF 80 Milliarden (EUR 66 Milliarden).

Ein Kommentar

  1. Was den meisten unbewussten Menschen bisher nur als „Finanzkrise“ bekannt ist, bezeichnete der Ökonom John Maynard Keynes als (beginnende) Liquiditätsfalle; schnappt sie zu, kann nur noch der Krieg (umfassende Sachkapitalzerstörung) einen nächsten Zyklus der Arbeitsteilung einleiten. Doch der Krieg konnte nur solange der Vater aller Dinge sein, wie es noch keine Atomwaffen gab!

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