Missbrauchskommissionsvorsitzende verlangt mehr Aufklärungswillen

Die Frankfurter Sozialpädagogikprofessorin Sabine Andresen fordert mehr Aufklärungswillen bei der Misshandlung von Heimkindern in den vergangenen Jahrzehnten: „Nach allem, was bislang bekannt ist, wurden Kindern und Jugendlichen Medikamente verabreicht, ohne medizinische Indikation und ohne deren Wissen und Einverständnis. Hier braucht es dringend den Willen zur Aufarbeitung“, so die Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs im Gespräch mit der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“. Ein unbehandeltes Gebiet sei außerdem die Gewalt in Kinderkurheimen in den fünfziger und sechziger Jahren.

Kinder und Jugendliche hätten Heime oft als rechtsfreien Raum erlebt. „Ihnen wurden keine Rechte gewährt“, so die Professorin. In der Gesellschaft seien sie stigmatisiert worden. „Man machte sie mit dafür verantwortlich, dass sie nicht in einer `normalen` Familie aufwuchsen.“ Die Verantwortlichen hätten sie nicht gefördert. „Man hat ihre Schutzbedürftigkeit ignoriert und ihr Recht auf Bildung missachtet.“ Die Schicksale der Betroffenen fügten sich in eine größere Gewalterzählung, so Andresen. „Gewalt war in der jungen Bundesrepublik und auch in der DDR im Umgang mit Kindern über Jahrzehnte ein legitimes Erziehungsmittel.“ Die Gesellschaft habe lange weggesehen und sich für eine Aufarbeitung nicht interessiert. Andresen lehrt als Professorin an der Universität Frankfurt/Main. Sie ist zudem die Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, die 2016 von der Bundesregierung einberufen wurde.

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