Kein Sündenfall, Kommentar zur Credit Suisse von Daniel Zulauf

Credit Suisse
In Zeiten des Unglücks schlägt die Stunde der Besserwisser. Das ist in der Wirtschaft nicht anders als in allen anderen Bereichen der Gesellschaft. Credit Suisse steckt zweifellos in einer höchst unglücklichen Lage. Die Bank, welche die dunkelsten Momente der Finanzkrise weit souveräner zu meistern verstand als manche ihrer Mitbewerber, erweckt immer mehr den Eindruck, als verlöre sie den Boden unter den Füßen.

Manche Beobachter scheinen darob sogar eine heimliche Freude zu empfinden. Es schlägt die Stunde der Möchtegerns, die schon immer wussten, welche Richtung die Bankstrategen hätten einschlagen müssen, von diesen aber nie erhört wurden.

Eine verbreitete, und rückblickend auch sicher berechtigte, Kritik zielt darauf ab, dass Credit Suisse lange an ihren umfangreichen Kapitalmarktaktivitäten in den Zentren des globalen Investment Banking, in London und vor allem in New York, festhielt. Dort hatte sich die Bank zuletzt gleich mehrfach eine blutige Nase geholt, und die jüngsten Vorgänge deuten darauf hin, dass die Schmerzgrenze nun erreicht oder vielmehr sogar überschritten ist.

Sicher hätte die Bank früher handeln und ihre Geschäfte an diesen Orten zu einem Zeitpunkt redimensionieren sollen, zu dem dies noch weit geringere Kosten verursacht hätte. Doch der oft zitierte Vergleich mit der UBS, die genau dies getan hat, greift zu kurz. Die UBS musste sich und ihren Aktionären nolens volens eingestehen, dass sie das Zeug zu einer der führenden Investmentbanken im weltgrößten Finanzmarkt nicht besaß.

Credit Suisse war im Gegensatz zur UBS längst kein Parvenu an der Wall Street mehr, als der Markt vor der Finanzkrise heißzulaufen begann. Das war vielleicht das Glück ihres damaligen Chefs Brady Dougan, weil er damit zu manchen Geschäften leichter Nein sagen konnte. Aber es war auch sein Pech, weil er glaubte, einen vermeintlich althergebrachten und wohl erworbenen Besitzstand um jeden Preis wahren zu müssen.

Wenn sich Besserwisser nun darüber freuen, dass also auch die Investmentbanker der Credit Suisse gescheitert sind, dann ist Ideologie im Spiel. Gewiss, die Investmentbanker haben mit heillos überzogenen Bonuserwartungen und ihrem Hang zur gemeingefährlichen Spekulation den wohl größten Anteil am schlechten Ruf der Banken. Doch kapitalmarktbasierte Finanzierungen, die Wurzel des Investment Banking, sind und bleiben ein zentraler Baustein des internationalen Bankgeschäfts. Der Versuch, dieses Geschäft ertragreich zu betreiben, ist kein Sündenfall, sondern eine Managementaufgabe.

Quelle: Börsen-Zeitung

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