Bundesregierung hat keinen Plan für Atomausstieg-Entschädigungen

Die Bundesregierung tappt bei der Höhe der Entschädigungszahlungen für die vier Atomkraftwerksbetreiber Eon, RWE, Vattenfall und EnBW, noch völlig im Dunkeln. Das zeigen die Antworten der Bundesregierung auf zwei Anfragen der Grünen, über die das „Handelsblatt“ (Montagausgabe) berichtet. Das Thema ist zeitkritisch: Das Bundesverfassungsgericht hatte der Bundesregierung in seinem Urteil von Dezember vergangenen Jahres aufgetragen, bis zum 30. Juni 2018 eine Regelung zu treffen.

Bis jetzt hat die Regierung noch nichts getan. Das Urteil des Verfassungsgerichts betrifft die Zeitspanne von Oktober 2010 bis März 2011. Im Oktober 2010 hatte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung nach langer politischer Debatte beschlossen, die Laufzeiten der Kernkraftwerke zu verlängern. Nach der Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011 vollzog Bundeskanzlerin Angela Merkel die Kehrtwende: Die Laufzeitverlängerung wurde zurückgenommen, mehrere Meiler mussten sofort vom Netz. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Oktober 2016 entschieden, dass die Betreiber für Investitionen, die sie zwischen Oktober 2010 und März 2011 im Vertrauen auf die Laufzeitverlängerung in ihre Anlagen getätigt haben, einen „angemessenen Ausgleich“ erhalten müssen. Gleiches gilt für die nicht mehr verwertbaren Reststrommengen, die jedem Meiler zugeteilt waren. Sie wurden durch den Ausstieg 2011 wertlos. Das Urteil ist völlig unabhängig zu betrachten von der Entscheidung, mit der das Verfassungsgericht Anfang Juni die Brennelementesteuer gekippt hatte. Die Bundesregierung räumt ein, ihr lägen „keine konkreten Informationen“ über den Umfang der Investitionen vor. Zwar habe es in den vergangenen Monaten eine Reihe von Gesprächen zwischen Bundesministern und Topmanagern der Branche gegeben. Man könne aber nicht mit Sicherheit sagen, ob die Entschädigungszahlungen dabei ein Thema gewesen seien. Die Betreiber lehnen sich derweil entspannt zurück. „Bisher ist in dieser Frage niemand auf uns zugekommen“, heißt es in einem der vier Unternehmen. Man sei intern damit befasst, eine Rechnung aufzumachen. Die Grünen sehen das kritisch. „Dass die Bundesregierung nach einem halben Jahr noch überhaupt nichts weiß, ist beunruhigend“, sagte Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, dem „Handelsblatt“. Kotting-Uhl bezweifelt allerdings, dass es in der fraglichen Zeitspanne überhaupt Investitionen gegeben hat. In den betroffenen Unternehmen sieht man das anders. Es gebe sehr wohl berechtigte Forderungen. Brancheninsider berichten, die vier Betreiber seien unterschiedlich stark betroffen. Bei Eon etwa müsse man „maximal mit einem zweistelligen Millionenbetrag“ rechnen. Bei RWE und Vattenfall dagegen könnten die Forderungen „deutlich höher“ ausfallen.

Foto: AKW Isar-I, über dts Nachrichtenagentur

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