Buchrezension „Kopf schlägt Kapital“ von Günter Faltin

Günter Faltin wurde im Jahre 1944 in Bamberg geboren und wirkt als deutscher Hochschullehrer und Unternehmensgründer. Der vielfach ausgezeichnete Faltin, unter anderem seit 2010 Inhaber des Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland am Bande, vertritt in seiner Lehre und in seinen Publikationen vehement das Postulat, dass Unternehmertum heute durch praktisch jeden machbar sei und dass es dabei weniger auf große Mengen an Gründungskapital, sondern viel eher auf ein besonderes Maß an Kreativität und Innovationskraft ankommen würde. Insbesondere vertritt er die These, ein Unternehmen könne praktisch problemlos aus bereits fertigen Komponenten gegründet und dann erfolgreich geführt werden. Quasi nach dem Baukasten-System. Man könne so auf bereits existente Komponenten zurückgreifen, diese neu miteinander kombinieren und dadurch zu einer neuen und innovativen Geschäftsidee gelangen, welche aufgrund der allgemeinen Tendenz zur weltweiten Normierung von Qualität und Leistung grundsätzlich sogar das Potenzial dazu habe, um im Konzert der ganz großen Konzerne erfolgreich mitzuspielen. Im Kontext dieses Credos ist auch das im Jahre 2008 erschienene Buch „Kopf schlägt Kapital“ von Günter Faltin zu sehen.

Von der Lust, ein Entrepreneur zu sein

Günter Faltins bis dahin achte Publikation erschien im Jahre 2008, also im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der weltweiten Finanzkrise im Münchner Cals Hanser Verlag und ist sein bis dato zweites Buch, welches sich explizit mit Unternehmensgründungen und den damit zusammenhängenden Problemstellungen befasst. Auffällig ist dabei – dies zieht sich quasi wie ein roter Faden durch das ganze Buch – dass Faltin die für viele Unternehmer und Gründer angstbehaftete Situation einer Selbständigkeit, über welcher praktisch permanent das drohende Damoklesschwert einer möglichen Insolvenz schwebt, eher als eine Lust und als einen regelrechten Spaß versteht, denn als eine Last.

Jeder ein potenzieller Gründer?

Bereits im Vorwort seines Buches vertritt Faltin vehement den Anspruch, wonach sich praktisch in jedem Menschen ein potenzieller Gründer und erfolgreicher Unternehmer verbergen soll. Nicht Mangel an Gründungskapital sei ein Hemmnis der wirtschaftlichen Entwicklung und der Neugründung von Unternehmen, sondern allein Mangel an kreativen Ideen und vor allem Mangel an Mut. Damit stellt sich Faltin inhaltlich und thematisch in die Ansichten eines Peter Hartz und eines Barack Obama. Vor dem Hintergrund eskalierender Arbeitslosenzahlen propagierte Hartz bereits um die Jahrtausendwende die quasi massenhafte Gründung kleiner und kleinster Ich-AGs als Antwort auf das gesamtgesellschaftliche Problem der hohen Arbeitslosigkeit, für die scheinbar keine Bundesregierung, ob nun Rot-Grün oder Schwarz-Gelb, jeweils ein probates Heilmittel zu verordnen wusste. Und tatsächlich findet sich bei der Lektüre von Faltins Buch auch stets ein wenig jenes typischen und erfrischenden Pioniergeistes und jener Form von unverwüstlicher Zuversicht, wie sie Obama im Wahlkampf der krisengebeutelten US-amerikanischen Wählerschaft in Gestalt seines mystischen Credos „Yes, we can!“ zu vermitteln versuchte.

Nach einem dergestalt optimistischen Vorwort, in welchem Faltin an den Leser appelliert, den er grundsätzlich als potenziellen Unternehmer sieht, den es wachzurütteln und zur Gründung zu bewegen gilt, motiviert er nochmals eindringlich sein Auditorium, dass die Zeit reif sei und die Gesellschaft neue Gründer dringend brauche, ehe er schließlich dazu über geht, aufzuzeigen, wie leicht es wäre, ein Unternehmen erfolgreich zu gründen und zu führen und dass es dazu nur einer zündenden Idee bedürfe.

Die Teekampagne: eigene Erfolgsstory

Im 2. Kapitel seines Buches propagiert Faltin schließlich die Teekampagne als eigene Erfolgsstory. Nicht nur, um den Wahrheitsgehalt seiner These vom Gründermythos zu untermauern, sondern gleichzeitig, um damit zu beweisen, dass er nicht nur klug daher schwadronieren kann, sondern sich selbst auch bereits erfolgreich unternehmerisch betätigt hat. So gründete Faltin 1985 das Unternehmen Projektwerkstatt GmbH und wurde zum Initiator der sogenannten Teekampagne, die sich zum größten Importeur von Darjeeling-Tee weltweit mauserte. Zwar taugt das Kapitel, um jedem einzelnen potenziellen Gründer Mut zu machen, doch braucht es zur erfolgreichen Unternehmensgründung stets auch enorm viel Glück und günstige Rahmenbedingungen. Und diese hatte Faltin im Jahre 1985 zweifellos. Aber hat die auch heutzutage jeder Gründungswillige? Die Zahl der Insolvenzen spricht dagegen eine ganz andere Sprache.

Selbständig sein heißt, nicht alles selbst machen zu müssen

In den folgenden Kapiteln wendet sich Faltin schließlich denjenigen Dingen zu, die er im Zusammenhang mit der Unternehmensgründung als Fehler erkannt zu haben meint. Dazu gehört der Drang des Gründers, alles selbst machen, alles selbst kontrollieren und in der Hand behalten zu wollen, meint Faltin. Und gleich hat er dafür auch jede Menge Beispiele parat, wie beispielsweise die Künstlerin Dorothee im Kapitel 5, welches überschrieben ist „Der Überforderungsfalle entgehen“. Stattdessen setzt er wiederum auf Kreativität, auf andersartige Konzepte, wie beispielsweise das Abenteuerrestaurant und natürlich immer wieder auch auf die Magie jenes unausgesprochenen Credos des „Yes, we can!“ Es wäre schön, wenn die Geschäftswelt tatsächlich so einfach und simpel wäre und wenn der Einstieg allein per Kreativität und Selbstvertrauen glücken könnte!

Bausteine, Labore und Herausforderungen

Im 6. Kapitel seines Buches breitet Faltin schließlich die These aus, dass der Gründungswillige auf Wissens- und Knowhow-Komponenten zurückgreifen könne, die bereits existent seien, um daraus erfolgreich sein Unternehmen zu kreieren. Quasi eine Unternehmensgründung per Kochrezept. Faltin zeigt hier alle möglichen Zutaten auf und der Gründungswillige muss dann lediglich nur noch probieren, was davon zueinander passt und am Ende eine schmackhafte Speise ergibt. Von Marktbedingungen, vom Gesetzesrahmen, wie beispielsweise von der deutschen Handwerksordnung, die jedem Gründungswilligen schon allein im handwerklichen Bereich enge und engste Grenzen setzt, ist dagegen kaum die Rede. Stattdessen umso mehr von Kreativität und Durchsetzungswillen. Im 7. Kapitel des Buches führt Faltin dann sogar aus, dass ein kleiner Existenzgründer qua Willen und qua Kreativität durchaus auch im Konzert der ganz großen Global Player erfolgreich mitspielen könne. Ein Kapitel, welches fast schon an ein modernes Märchen erinnert. Das 8. Kapitel liefert dann diverse Anregungen für ein Ideen-Labor für Gründungswillige, welche entsprechende Elaborate zeitigen sollen, auf deren Grundlage der Gründer seine wirtschaftliche Existenz bestreiten kann. Im 9. Kapitel schließlich wird der Leser abschließend motiviert. Gründer- und Unternehmertum sei eine moderne Herausforderung, der man sich stellen müsse und durchaus auch stellen könne. In den Schlusskapiteln 10 und 11 fordert Faltin den Leser schließlich auf, alte Zöpfe abzuschneiden und endlich zur Tat, sprich zur Unternehmensgründung, zu schreiten. Es fehle hierzulande an Gründergeist und er stelle sich daher inzwischen die Frage, ob der Unternehmergeist aus Deutschland ausgewandert sei.

Fazit

Faltin ist zweifellos ein kluger Mann, der in seinem Metier auch unternehmerisch etwas erreicht hat. Offenbar ist er vom typisch amerikanischen Pioniergeist sehr stark beeinflusst und ein Apologet jener hemdsärmeligen Idee, wonach der Tatendrang eines Menschen Berge versetzen kann. An vielen Stellen liest sich sein unterhaltsames Buch daher wie pures Wunschdenken oder wie der Traum eines erfolgreichen Mannes, der meilenweit von der unternehmerischen Realität entfernt ist. Denn es berücksichtigt kaum je die Umstände, dass wir nicht mehr die Gründerjahre der Nachkriegszeit und des Wirtschaftswunders haben, sondern eine auch in wirtschaftlicher Hinsicht höchst schwierige Zeit, in der es weit mehr braucht, als nur ungebremsten Elan und eine möglichst ausgefallene Geschäftsidee, um erfolgreich am Markt zu bestehen. Als Anregung zum Nachdenken und als Mutmacher taugt das Buch hingegen allemal, denn das Leben ist selten gerecht und das Wirtschaftsleben ist umso ungerechter. Oder, um es mit Albert Camus zu sagen, „das Leben ist geprägt vom Absurden zu dem stets auch das unverdiente Scheitern gehört“. Und das Absurde kann jeden beliebigen Menschen, wie tüchtig und kreativ er dabei auch immer sein möge, schon an der nächsten Straßenecke anspringen, um ihn zu überwältigen.

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