Bildungsexperten wollen Kita-Pflicht für Vierjährige

Führende Bildungsexperten haben die Einführung einer Kita-Pflicht für Vierjährige gefordert. Auf diese Weise ließe sich der konstant hohe Anteil der Bildungsverlierer senken, sagte der Vorsitzende des Aktionsrats Bildung, Dieter Lenzen, der „Welt“. Die frühe Förderung sei entscheidend für den späteren Bildungsverlauf.

„Allerdings müssen die Kitas dann auch Bildungseinrichtungen sein und nicht nur Aufbewahrungsanstalten“, sagte der Erziehungswissenschaftler. Während es in den vergangenen zehn Jahren gelungen sei, den Anteil der Abiturienten deutlich zu erhöhen, sehe man am unteren Ende keinen Fortschritt, bemängelte der Präsident der Universität Hamburg. Mit fast 20 Prozent gebe es einen nahezu konstanten Anteil von Bildungsverlierern. Besonders Zuwandererkinder hätten nach wie vor oft große Defizite. „Unter den Bildungsverlierern sind Migranten deutlich überrepräsentiert“, sagte Lenzen. Ein wesentlicher Grund dafür seien die Probleme mit der deutschen Sprache. „Kinder von Zuwandererfamilien können nur mit einer qualitativ guten Frühförderung im Bildungssystem gleichziehen.“

Die ersten Jahre seien entscheidend für den Spracherwerb. Mangelhafte Deutschkenntnisse führten nicht nur zu schlechteren Bildungsabschlüssen, sondern auch zum Entstehen von Parallelgesellschaften, warnte der Chef des Aktionsrats. Dieses Expertengremium, dem neben Lenzen zwölf weitere namhafte Bildungsexperten angehören, wurde 2005 von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) ins Leben gerufen und hat mehrfach mit Erfolg Bildungsreformen angestoßen. Auch vbw-Präsident Alfred Gaffal hob die Bedeutung einer frühen und intensiven Sprachförderung von Migrantenkindern hervor. „Das schlechte Abschneiden der Jugendlichen mit Migrationshintergrund liegt häufig an ungenügenden Deutschkenntnissen.“ Die Wirtschaftsvereinigung sei deshalb für eine Vorschulpflicht. Auch Ganztagsschulen seien für eine systematische Sprachförderung hilfreich. Die Integration der vielen Flüchtlingskinder ist laut Lenzen „ein bildungspolitischer Achttausender“. Das hiesige Bildungswesen sei auf die große Zahl überhaupt nicht vorbereitet gewesen, sagte der Forscher. „Jeder Monat, der verloren wird, rächt sich später.“ Während Deutschlands Bildungswesen am unteren Ende noch immer ein großes Problem aufweise, gibt es an der Spitze nach Einschätzung des Aktionsrats sichtbare Verbesserungen: Heute mache fast jeder zweite Jugendliche Abitur. Das sei eine deutlich höhere Quote als noch vor zehn Jahren. Mit Blick auf die immer wieder geforderte „Bildungsgerechtigkeit“ attestiert der Experte Deutschland denn auch Fortschritte. Allerdings sei die stark gestiegene Abiturientenquote mit einer Absenkung des Leistungsniveaus erkauft worden. „An den Universitäten ist dies ein wachsendes Problem“, sagte der Hochschulprofessor. So sei die Schulzeit verkürzt worden und parallel im Hochschulbereich im Zuge des Bologna-Prozesses seien die verkürzten Bachelor-Studiengänge eingeführt worden. Somit seien die Studienanfänger jünger und würden dann auch noch schneller durchs Studium geschleust. Manche hätten es schon mit 21 Jahren beendet. Problematisch findet Lenzen auch die hohe Spezialisierung der Schulabgänger. Dies gehe zulasten der allgemeinen Bildung. „So bringt der normale Abiturient heute oft nicht mehr die Mathematikkenntnisse mit, die für ein Betriebswirtschaftsstudium nötig sind.“

Foto: Spielendes Kind, über dts Nachrichtenagentur

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