10 Jahre Hartz IV - eine durchwachsene Bilanz

10 Jahre Hartz IV – eine durchwachsene Bilanz

Vor zehn Jahren wurde in Deutschland das Arbeitslosengeld II (ALG II) eingeführt. Die 2002 von der Regierung Schröder initiierte Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt – nach ihrem Vorsitzenden Peter Hartz kurz Hartz Kommission genannt – hatte ein Konzept zur Reform der staatlichen Arbeitsvermittlung entworfen. Ziel dieses Konzeptes war es, die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland effizienter zu gestalten. Die Reform sollte innerhalb von vier Jahren eine Halbierung der Arbeitslosenzahl von damals vier Millionen bewirken.

Um das Gesetzgebungsverfahren besser umsetzen zu können, wurden die Maßnahmen in einzelne Gesetze aufgeteilt, die mit den Kurzbezeichnungen Hartz I, Hartz II, Hartz III und Hartz IV stufenweise zwischen 2003 und 2005 in Kraft traten.

Hartz IV – Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe verschmelzen

Die Anfang 2015 gestartete vierte Stufe der Hartz Reformen („Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“) sah die Einführung der so genannten „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ oder auch Hartz IV Grundsicherung vor. Die damit verbundene Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe brachte für viele Menschen die wohl einschneidendsten Veränderungen. Die Höhe des ALG II sieht seitdem einen einheitlichen Regelsatz vor. Dieser betrug im Jahr 2005 für Alleinstehende 345 Euro im Westen und 331 Euro im Osten Deutschlands. Hinzu kommen Zulagen für Heizen und Wohnen, die je nach Region, persönlicher Situation und einigen anderen Faktoren unterschiedlich hoch sind. Seit 2007 ist der Satz vereinheitlicht und stieg seitdem jährlich auf nunmehr 399 Euro im Jahr 2015. Unsere Statistik zeigt die Entwicklung des Regelsatzes für ALG II Empfänge von 2005 bis heute.

10 Jahre Hartz IV - eine durchwachsene Bilanz

Immer wieder steht der Hartz-IV-Regelsatz im Mittelpunkt von Diskussionen. Erst in der letzten Woche stellte der DGB auf der Basis einer neuen Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung fest, der aktuelle Hartz IV Regelsatz, der sich seit 2010 an der Höhe der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes orientiert, falsch berechnet sei. Laut Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes, müsste den Empfängern mindesten 444 Euro zustehen.

Was hat die Hartz IV Reform gebracht?

Heute nach nunmehr zehn Jahren Hartz IV ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Vielfach gehen die Meinungen hier allerdings auseinander. Zumindest auf die Frage, ob durch die Einführung der Hartz Reformen die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland gesenkt werden konnte, gibt es ein klares „Ja“. Diese sank von fast 5 Millionen im Jahr 2005 auf rund 3 Millionen zum Ende des letzten Jahres, was einem Anteil von fast 40% entspricht. Hier sind sich Politiker und Arbeitsagentur einig und sprechen von einem großen Erfolg. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles nannte die Hartz-IV-Reformen gar einen Riesenfortschritt.

Die Zahl der Kurzzeitarbeitslosen gesunken – Nachhaltigkeit fehlt

Bei genauer Betrachtung wurde allerdings nicht die Zahl der Hartz-IV-Empfänger verringert, sondern lediglich die Zahl der Kurzzeitarbeitslosen. Dies liegt unter anderem auch darin begründet, dass viele Angst vor der „Perspektive Hartz IV“ haben und deshalb viele – vor allem ältere – arbeitslose Bewerber auch Abstriche bei Lohnhöhe, Arbeitsbedingungen und Qualifizierungsniveau für einen neuen Job machen. Aufgrund dieser Entwicklung sind Unternehmen in der Lage, auch schwer besetzbare Stellen leichter zu besetzen.

Keinesfalls kann man von Nachhaltigkeit sprechen, denn ein Großteil davon landet genauso schnell wieder in der Arbeitslosigkeit. Wie der Deutsche Gewerkschaftsbund schätzt, zählen etwa die Hälfte Abgänger aus der Statistik der Arbeitslosigkeit nach rund einem halben wieder zu den Leistungsempfängern. Auch die Statistik belegt dies. So gab es im Zeitraum von 2005 bis 2013 zwar 8,2 Millionen Abgänge aus dem System in den ersten Arbeitsmarkt, jedoch auch 9,6 Millionen Zugänge.

Hartz IV hat das eigentliche Ziel verfehlt

An den schlechten Jobaussichten von Hartz IV-Beziehern hat sich in den vergangenen Jahren nichts geändert. Rund 1 Million Menschen ist seit dem ersten Tag im Jahr 2005 Hartz-IV-Empfänger. Jeder Dritte davon ist älter als 50 Jahre, darunter gibt es 543.000 Frauen und 446.000 Männer.
Hinzu kommt, dass vielfach ein neuer Job nicht das Ende der Hilfebedürftigkeit bedeutet. Viele Menschen, die zwar in einen Job vermittelt werden konnten, sind mit dem so erzielten Verdienst nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt komplett selbst zu bestreiten und müssen ihr Einkommen durch Hartz-IV-Leistungen zur Grundsicherung aufstocken. Die Statistik belegt, dass die Zahl der Leistungsempfänger von ALG II im Zeitraum von 2005 bis heute lediglich um 600.000 gesunken ist, und noch immer bei rund 4,4 Millionen Menschen liegt.

Die meisten Hartz-IV-Empfänger finden langfristig keinen neuen Job, sondern verlassen die Statistik auf andere Weise. 2013 fielen beispielsweise lediglich 16,5% der Menschen aus der Hartz-IV-Statistik, weil sie einen neuen Job fanden. 44% hingegen wurden aus Krankheits- oder Altersgründen abgemeldet, weil sie beispielsweise inzwischen älter als 58 Jahre sind und länger als ein Jahr kein Vermittlungsangebot bekommen hatten.

Insgesamt wurde das eigentliche Ziel, Langzeitarbeitslose in Lohn und Brot zu bringen, also verfehlt.

Grafiken: © Statista

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